Rechtzeitig zur Marpinger Kirmes, die, wenn ich nicht ganz
falsch liege,
immer am Wochenende nach Maria Himmelfahrt (also Mitte August), findet
dir
Marpinger Kirmes statt. Dazu die folgende Geschichte:
Als Kind war die "Kerb" = Kirmes immer eine der Hauptveranstaltungen
des Jahres. Die anderen waren Weihnachten, Geburtstag, Fastnacht,
Ostern. In dieser Reihenfolge. Weihnachten vorn und die Kerb etwa Platz
drei. Da gab
es nämlich immer was. Geld. Und dafür tun wir auch heute
immer noch sonderliche
Dinge, wie zum Beispiel jeden Tag auf der Arbeit erscheinen (nicht
Saarländer
sagen "zur Arbeit").
Nun, auf der Kerb, wie auch an Fastnacht, gab es noch was
zusätzlich! Unterhaltung.
Die Kerb wäre vielleicht auf der Skala der Attraktionen die Erste,
wenn die Unterhaltung
zählte. Am Meisten zählt allerdings das Geld oder
geldähnliche Zuwendungen. Deshalb
Platz drei.
Nun, auch auf Platz drei verdrängt, waren alle anderen
Attraktionen trotzdem am
Tag der Kerb vergessen. Die Kerb war da und bestimmte das Leben -
zumindest für
drei oder vier Tage. Zu diesen Zeiten - Anfang der 60er - war das
Zentrum der
Kerb auf dem Marktplatz, direkt vor unserem Haus. Meine
Großeltern waren mit
den Schaustellern schon lange bekannt und wir lieferten den "Strom".
Heißt,
die Großeltern erlaubten, dass die Schausteller Strom und Wasser
bei uns
entnehmen konnten. Ich weiß nicht, wie das zum Beispiel mit der
"Autobahn" (Boxautos) war. Ich kann mir vorstellen, dass die
Schausteller diese Energie bezahlt haben oder einen anderen Anschluss
dafür
hatten. Auf jeden Fall, hatten wir bei Beginn der Kerb immer eine
Tüte voll
Freichips für die Autobahn!! Die Tüte war groß.
Da waren die anderen
Kinder immer ganz gelb im Gesicht vor Neid.
Aber der wahre Sport war das Knerreschiesse mit Häkelcher
(Schiessen mit der
Schleuder mit aus Draht gebogenen Haken = Häkelcher). Schon kurz
vor Beginn der
Kerb wurden die Knerren hergestellt. Die vom letzten Jahr waren immer
verschwunden. Gar meisterliche Fähigkeiten wurden bei der
Herstellung
offenbar. Man brauchte einen dicken Draht, der dann in "Y" Form
gebogen wurde. Der "I" Teil des "Y" war der
schwierigste Part. Wer das nicht versteht, soll sich melden.
Auf jeden Fall
musste das Ganze ziemlich starr sein und durfte sich nicht verbiegen.
Erstaunliche
Ergebnisse. Experimente wurden gemacht mit mehrfach gebogenen
Drähten, die
wiederum zurückgebogen. Man war noch kein Fachmann der
Metallbearbeitung. Und
wusste auch nicht wo und wie man dicke Drähte herbekommt. Und man
fragte auch
nicht, da die "Knerren" nicht gern von den Eltern gesehen wurden.
Irgendwann war die Knerr dann da. Fertig. Nun noch die Munition. Das
waren die
Häkelscher (kleine Haken). Einfach in "U" Form gebogene
Drähte. Die
wurden abgefeuert mit dem Gummi, dar an der Knerr befestigt war. Aber
das weiss
sicher jeder. Eine Schleuder.
Aber, was tat man nun damit?
Am Anfang der Kerb kam es meist zu kleinen Bandengefechten. Jede
Strasse hielt
zusammen, und man schoss auf die Anderen. Ein gefürchteter Gegner
war
"Dewese Dieter". Ein Freund, aber zur Kerwezeit (man beachte den
Unterschied Kerb - Kerwe ), gehörte er plötzlich zur anderen
Bande. Wir trugen
alle kurze Hosen. Das Hauptziel, mit dem der Gegner am meisten verletzt
werden
konnte, waren die nackten Waden. Darauf wurde angelegt und gefeuert,
was die
Knerr hielt. Es gab manchmal regelrechte Feuergefechte zwischen den
beteiligten
Banden. Und war mal keiner von den anderen Banden da, dann konnte man
sich
leicht gegenseitig in die Haare bekommen. Unsere Bande damals waren:
mein
Bruder Jörg, ich, der Heuser Bernd, Diethelm Gessner, sein Bruder
Manni (Manfred) -
allerdings noch zu klein damals -, mein bester Freund Wolfgang
Hammermeister -
obwohl der vom Territorium her schon zu den Anderen gehörte
-, und der
Ludwin Grausam - auch noch zu klein damals. Der war aber und ist nicht
grausam, sondern heisst nur so. Wenn ich jemanden vergessen hab, dann
bitte melden.
Bin auch nicht mehr der Jüngste. Der Boss der Gang war der
Heuser Bernd,
war er auch der Älteste von uns.
Besonders männliche Knaben hielten es für wichtig, auch den
Mädchen damit zu
imponieren, dass sie ihnen einen "Saubolzen" auf die Wade verpassten.
Da gehörte ich - zum Glück- nicht dazu. Meine Frau Andrea
nannte mir später die
Namen dieser "Gentlemen"; na ja , 25 Jahre später; alles
verziehen. Fällt
mir ein, dass ein Spezialist für diese Mannbarkeitsprüfung am
Dorfbach wohnte;
aber nicht vorn bei uns, sondern weiter hinten - nicht ganz
hinten, mehr
in der Mitte, vor dem Karl-Heinz..
Ein "Saubolzen" war ein besonders dicker und kräftiger Haken
(Häkelchen kann man das nicht mehr nennen"), der dazu diente, eine
besonders nachhaltige Erinnerung an den Treffer und den Verehrer
zurückzulassen. Zum Glück hatte man nie genügend dicken
Draht, um solche Bolzen
herzustellen.
Dem sprunghaften Verstand des Kindes ist es zu verdanken, dass damals
nie
etwas Schlimmes passiert ist. Immer zu spät mit der Besorgung von
Draht und
"Saubolzen". Keine Vorbereitung . Jeder, der Kinder hat, weiss, dass
das heut noch so ist.
(C) Alle Namen oder Adressen, die in dieser Geschichte auftauchen, sind
fiktiv
oder erfunden. Oder vielleicht auch echt. Aber darauf würde ich
mich nicht
verlassen; weder auf das Erste noch auf das Zweite.