De Käschdebaam

Der Bonner Franz hatte einen imposanten Käschdebaam (eine Kastanie). Der stand unterhalb des Hauses im Grund, ein paar Meter vor der Grenze zum Schlepper Jaap. Direkt vor dem Baum war eine Bank auf der Oma, Opa und Nachbarn oft sassen und Informationen über Leute austauschten, die gerade nicht auf der Bank sassen.

Als Kind habe ich diesen Baum bewundert, lieferte er doch jeden Herbst seine heissbegehrten Früchte ab. Der Bonner Franz hat mir gezeigt, wie man daraus wunderbare Kunstwerke erzeugen kann. Beispielsweise Igel. Man nimmt die Kastanie mit dem weissen Fleck nach unten, weil das der Bauch ist und setzt nur vier Streichhölzer an den vier Ecken ein, schon hat das Tier Beine. Allerdings haben Kastanien keine Ecken, so, dass hier schon ein bisschen Fantasie gefragt ist. Weiter also. Ein Streichholz und eine kleinere Kastanie mit dem Körper verbinden und schon hat das Tier einen Kopf. Und viele kurze Streichholzstücke für den Rücken. Voila - der Igel. Andere Tiere werden ähnlich hergestellt - Schweine und Pferde hauptsächlich. Natürlich ohne die Stacheln auf dem Rücken. Man konnte die Kastanien auch verwenden, um unliebsame Zeitgenossen zu bewerfen und zu vertreiben.

Richtung Härtlewald wohnt die Familie Cadario, Mutter Zilla und Vater Valtin. Die hatten eine Tochter in meinem Alter, meine Andrea. Wir haben später geheiratet. Andrea und ich waren damals schon gute Freunde. Allerdings gab es einmal einen Zwischenfall, der mir zwar nicht in Erinnerung geblieben ist, Andrea aber umso besser.

Es dreht sich natürlich alles wieder um unseren Kastanienbaum. Wir haben "Cowboy und Indianer" gespielt. Ich war der Cowboy. Wie vom Kino bekannt ("Winnetou 1,2 &3") werden die Indianer gewöhnlich von einem Cowboy (mir) gefangengenommen und zwecks späterer Bestrafung eingesperrt. Oder an den Käschdebaam gefesselt. Was dann auch geschah mit der Andrea. Der Cowboy kümmerte sich dann weiter um sein Tagesgeschäft.

Eine mir heute oft bescheinigte Eigenschaft ist die Vergesslichkeit. Scheinbar ist diese Eigenschaft schon damals ausgeprägt gewesen. Ich habe nämlich vergessen, dass Andrea am Baum gefesselt war! Nach eigener Aussage wartete Andrea ziemlich lange Zeit darauf, dass der Cowboy zurückkam. Der kam aber nicht mehr. Schliesslich hat sie um Hilfe gerufen. Mein Opa, der Bonner Franz, hat sie dann befreit.

Eines Tages ist die Feuerwehr angerückt. Leitern und Sägen wurden ausgepackt und am Käschdebaam hochgefahren. Der Schlepper Jaap hatte mittlerweile sein Haus erweitert und der Käschdebaam schien ihm zu nah an der Grundstücksgrenze zu stehen. Zum Glück konnte man sich damals noch nachbarschaftlich einigen. Mein Opa, der Franz, hat damals organisiert, dass die Feuerwehr den Baum fällt. Heute wäre unser guter, alter Käschdebaam vielleicht nicht mehr so einfach zu entfernen.